Objekte der Liebe

von Rico Loosli Webmaster "project ch-swiss"
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Objekte der Liebe


Liebe ist nicht in erster Linie eine Bindung an eine bestimmte
Person. Sie ist eine Haltung, eine Charakter-Orientierung,
welche die Bezogenheit eines Menschen zur Welt als Ganzem
und nicht nur zu einem einzigen »Objekt« der Liebe bestimmt.
Wenn jemand nur eine einzige andere Person liebt und ihm alle
übrigen Mitmenschen gleichgültig sind, dann handelt es sich bei
seiner Liebe nicht um Liebe, sondern um eine symbiotische
Bindung oder um einen erweiterten Egoismus. Trotzdem
glauben die meisten Menschen, Liebe komme erst durch ein
Objekt zustande und nicht aufgrund einer Fähigkeit. Sie bilden
sich tatsächlich ein, es sei ein Beweis für die Intensität ihrer
Liebe, wenn sie außer der »geliebten« Person niemanden lieben.
Es ist dies der gleiche Irrtum, den wir bereits an anderer Stelle
erwähnt haben. Weil man nicht erkennt, daß die Liebe ein
Tätigsein, eine Kraft der Seele ist, meint man, man brauche nur
das richtige Objekt dafür zu finden und alles andere gehe dann
von selbst. Man könnte diese Einstellung mit der eines
Menschen vergleichen, der gern malen möchte und der, anstatt
diese Kunst zu erlernen, behauptet, er brauche nur auf das
richtige Objekt zu warten, und wenn er es gefunden habe, werde
er wunderbar malen können. Wenn ich einen Menschen
wahrhaft liebe, so liebe ich alle Menschen, so liebe ich die Welt,
so liebe ich das Leben. Wenn ich zu einem anderen sagen kann:
»Ich liebe dich«, muß ich auch sagen können: »Ich liebe in dir
auch alle anderen, ich liebe durch dich die ganze Welt, ich liebe
in dir auch mich selbst.«
Wenn ich sage, die Liebe sei eine Orientierung, die sich auf
alle und nicht nur auf einen einzigen Menschen bezieht, so heißt
das jedoch nicht, daß es zwischen den verschiedenen Arten der
Liebe keine Unterschiede gibt, die jeweils von der Art des
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geliebten Objekts abhängen.